D’Artagnan & Co.: So kämpften die Musketiere des Königs wirklich - WELT (2024)

Geschichte D’Artagnan & Co.

Ihren Ruf als degenschwingende Raufbolde verdanken Musketiere den Romanen von Alexandre Dumas. In der Wirklichkeit kämpften sie weder gegen Kardinal Richelieu, noch waren Klingen die bevorzugten Waffen von Frankreichs Gardetruppen.

| Lesedauer: 4 Minuten

Von Oliver de Weert

D’Artagnan, Musketier im Dienst des Sonnenkönigs

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„Einer für alle, alle für einen“ – das populäre Musketier-Motto steht für den verschworenen Korpsgeist der degenschwingenden Draufgänger. Kleiner Schönheitsfehler: Es stammt nicht wirklich von den Musketieren, sondern aus der Feder des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas (1802–1870). Sein Roman „Die drei Musketiere“, 1844 zunächst in der Zeitung „Le Siècle“ veröffentlicht, begründete den weltweiten Ruhm des Autors und der französischen Gardetruppe gleichermaßen. Der solidarisch idealisierte Wahlspruch war dabei nicht die einzige dichterische Freiheit, die Dumas sich nahm.

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Die wahre Geschichte erzählt der Arte-Dokumentarfilm „D’Artagnan, Musketier im Dienst des Sonnenkönigs“ von Augustin Viatte. Charles de Batz de Castelmore (1611/15–1673), ein Kleinadliger aus der Gascogne, absolvierte bei Hofe unter dem gut eingeführten Familiennamen seiner Mutter – d’Artagnan – eine steile Karriere bis hin zum Kommandanten der ersten Kompanie der Musketiere, nach der Fellfarbe ihrer Pferde „die Grauen“ genannt.

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Der echte d’Artagnan lag nicht mit den Schergen des mächtigen Kardinals Richelieu (1585–1642) im Clinch, der unter Ludwig XIII. als Erster Minister faktisch die Regierungsgeschäfte führte. Erst 1644, zwei Jahre nach dessen Tod, wurde d’Artagnan in die Mousquetaires de la garde (Musketiere der Garde) aufgenommen, eine Eliteeinheit, die zu den Haustruppen des Königs gehörte und als höfische Garde, aber auch als Lehrtruppe diente.

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Daher drängten sich vor allem Adlige zum Dienst in dieser Einheit, obwohl sie ihre Ausrüstung selbst stellen mussten. Auch Kardinal Richelieu unterhielt eine eigene Musketier-Kompanie, die mit der königlichen in herzlicher Rivalität verbunden war. D’Artagnan machte unter Richelieus Nachfolger, dem Kardinal Mazarin (1602–1661), schnell Karriere. Als Pate und regierender Minister des jungen Ludwig XIV. (1638–1715) betraute Mazarin den Musketier mit zahlreichen brisanten Aufträgen, während im Land durch die adlige Fronde bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten.

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1652 wurde d’Artagnan zum Fähnrich, 1558 zum Sous-Lieutenant befördert. In diesen Funktionen gewann er das Vertrauen des Königs, der ihm heikle Missionen anvertraute und ihn 1667 zum Capitaine-lieutenant, zum faktischen Kompaniechef ernannte. Das war nicht nur ein militärischer Rang, sondern auch ein hochdotierter höfischer Titel.

In seinen Romanen vermischte Alexandre Dumas also Mythos und Realität. Wobei der Vielschreiber ein feines Gespür für die vermarktbare Geschichtsbegeisterung seiner Zeitgenossen bewies. Dabei setzte er durchaus auf Recherche – wie damals üblich mit anonymen Helferlein. So veröffentlichte er gleich noch die historische Abhandlung „Ludwig XIV. und sein Jahrhundert“. 1845 erschien sie auch auf Deutsch, kurz nach dem ersten Musketier-Roman.

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Inspiriert hatte Dumas der Ex-Musketier und Autor Gatien de Courtilz de Sandras mit seinen „Memoires de M. d’Artagnan“ aus dem Jahr 1700. Gestützt auf eine dünne Faktenlage, waren diese sogenannten Memoiren reich mit Abenteuer- und Schelmengeschichten ausgeschmückt. Ihren Ruf als disziplinlose Draufgänger, Dauerduellanten und Frauenhelden hatten die Musketiere damit weg, was allerdings nur bedingt etwas mit der Realität zu tun hatte.

Denn die zahlreichen Degenduelle, die sich die Musketiere etwa mit den Kollegen aus den Garden Richelieus und Mazarins lieferten, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Truppe zu den Eliteeinheiten Frankreichs gehörte und damit ein Exempel für die Disziplin bot, die für die stehenden Heere der Neuzeit maßgeblich wurde. Auch war ihre Hauptwaffe nicht die Klingen-, sondern die namengebende Schusswaffe.

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Diese Musketen waren zwar unhandliche Vorderladergewehre, die einen sicheren Schuss nur auf etwa 100 Meter Entfernung erlaubten und daher vor allem mit Salvenfeuer wirkten. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 entwickelten die Büchsenmacher aber immer leichtere Modelle, sodass die lange gebräuchlichen Gabelstöcke als Stützen wegfielen. Da auch die Schussfolge erhöht wurde, konnten Musketiere im Gefecht auf den Flankenschutz durch Pikeniere verzichten. Als Gardetruppe waren die Musketiere des Königs beritten, sodass sie als Dragoner eingesetzt wurden, berittene Infanterie.

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Dumas ließ sich davon nicht beeindrucken. D’Artagnan und seine Mitstreiter Athos, Porthos und Aramis wurden zu Vorbildern eines Leinwandgenres: des Mantel-und-Degen-Films. Kein Wunder, in artistischen Fechtszenen ließ sich mit der Stichwaffe ein romantisch verklärtes Bild des Kampfes Mann gegen Mann zeichnen. Beim Vorderladergewehr hingegen hieß es im Zweifel: ein Schuss und tot. Hätte der Mantel-und-Musketen-Film reüssiert? Wohl kaum.

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Eine Musketenkugel besiegelte denn auch das Schicksal von Charles de Batz de Castelmore. Sie traf ihn tödlich bei der Belagerung von Maastricht am 25. Juni 1673. In seinem Heimatort Lupiac erinnern ein Reiterstandbild und ein Museum an den großen Sohn. Zum „Festival d’Artagnan“ kommen selbst aus Deutschland kostümierte Musketiere, um – natürlich – Schaukämpfe auszufechten. Der Mythos lebt. Und das wahre Motto von d’Artagnans grauen Musketieren? „Quo ruit et lethum“ steht lateinisch im Banner, was ungefähr so viel heißt wie: Wo sie hinfällt, ist der Tod. Ein Bildnis zeigt eine Kugel, die aus einem Mörser abgeschossen auf eine Stadt trifft. Auch die Musketiere waren in der Realität vor allem – Soldaten ihrer Zeit.

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D’Artagnan, Musketier im Dienst des Sonnenkönigs“, 20.15 Uhr, 10. April 2021, Arte

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